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Beschluss des Landesvorstandes vom 10.07.2020

10.07.2020

Lobbyismus eindämmen – Offenheit stärken!

 

Die Mitglieder von Parlamenten und Regierungen sind allen Menschen in ihrem jeweiligen Wirkungsgebiet gegenüber verantwortlich. Sie müssen ihr politisches Handeln erklären und sich für ihre Entscheidungen verantworten. Das gilt während der politischen Tätigkeit, aber auch darüber hinaus. Nur so können Politikerinnen und Politiker glaubwürdig ihre Integrität wahren. Das Misstrauen in die Politik ist in den letzten Jahren gestiegen. Die Aufgabe von Politiker*innen ist es, für mehr Vertrauen zu kämpfen und damit den Glauben in die Demokratie zu stärken. Richtschnur für Sozialdemokrat*innen in politischen Ämtern und Funktionen müssen dabei unsere sozialdemokratischen Grundwerte sein.

Deshalb sind wir besonders empört darüber, dass unser ehemaliger Parteivorsitzender und ehemaliger Bundesminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel aus einem Beratervertrag mit einem Unternehmen, das Arbeitnehmer*innenrechte mit Füßen tritt, Profit geschlagen hat. Der Kampf für gute Arbeitsbedingungen und für betriebliche Mitbestimmung an der Seite der Beschäftigten ist für aufrechte Sozialdemokrat*innen selbstverständlich. Eine lukrative Beratertätigkeit für Unternehmen wie Tönnies ist damit nicht zu vereinbaren.

Dieser für die SPD besonders schmerzliche Fall, aber auch der Lobby-Skandal um den CDU-Politiker Philipp Amthor, zeigt, wie notwendig es ist, Transparenz über die Gründe politischer Entscheidungen und über Einflussnahmen auf diese herzustellen, und Mitglieder von Parlamenten und Regierungen während und nach ihrer politischen Tätigkeit zu Integrität und Transparenz zu verpflichten.

Grundsätzlich ist es völlig legitim, dass Verbände, Vereine, Gewerkschaften und auch Unternehmen gegenüber Politiker*innen ihre Interessen vertreten. Doch gerade bei Lobbyist*innen, die für Unternehmen arbeiten, sind besonders strenge Regeln erforderlich. Denn nur so kann intransparente Einflussnahme und Manipulation durch eine ohnehin schon privilegierte Gruppe unterbunden und die Demokratie gestärkt werden.

Lobbyregister

Der Landesvorstand der SPD Bremen begrüßt daher die auf Druck der SPD erzielte jüngste Einigung der Bundeskoalition zur Einführung eines verpflichtenden und öffentlich einsehbaren Lobbyregisters. Darin müssen sich alle Lobbyist*innen eintragen, die gegenüber dem Parlament oder Regierung Interessen vertreten wollen. Viele unserer Bundestagsabgeordneten führen bereits seit Jahren freiwillig ein solches Register und machen dies z. B. auf ihren Websites öffentlich.

Ein solches Lobbyregister muss Informationen über die Identität des bzw. der Lobbyist*in, den Auftraggeber, das verfolgte Ziel, die zur Verfügung stehenden Mittel und die Gesprächspartner*innen enthalten und sollte sich nicht nur auf den Bundestag, sondern auch auf die Bundesregierung beziehen. Eine solche Maßnahme ermöglicht Transparenz und macht eine mögliche Einflussnahme erkennbarer.

Karenzzeit

Das Lobbyregister wird die Arbeit von Lobbyist*innen transparenter machen. Notwendig ist aber auch, der Gefahr zu begegnen, dass Abgeordnete und Minister*innen durch Gesetzesvorhaben oder andere politische Entscheidungen die Unternehmen bevorzugen, für die sie während oder nach ihrer aktiven Zeit selbst tätig sind. Die Anzeigepflichten über weitere Tätigkeiten und Einkommen für aktive Abgeordnete im Bundestag und in der Bremischen Bürgerschaft und Regierungsmitglieder sind daher wichtig und richtig. Für ehemalige Mitglieder der Bundesregierung und parlamentarische Staatssekretäre gibt es bereits eine „Karenzzeit“: Diese müssen innerhalb der ersten 18 Monate nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik jede Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes anzeigen. Sollte das öffentliche Interesse dadurch beeinträchtigt sein, kann die Beschäftigung untersagt werden. Das muss auch für ehemalige Abgeordnete des Bundestages gelten.

Sozialdemokratische Selbstverpflichtung

Der Fall Sigmar Gabriel zeigt aber, dass weder Karenzzeit noch das noch zu schaffende Lobbyregister verhindern, dass Politiker*innen für Unternehmen tätig werden und von diesen profitieren, die unseren Grundwerten widersprechen. Deshalb wollen wir Sozialdemokrat*innen uns besonders strenge Regeln für die Zeit in Parlament und Regierung und darüber hinaus auferlegen.

So wichtig es ist, im Anschluss an die zeitlich befristete Wahrnehmung der demokratischen Verpflichtungen aus öffentlichen Ämtern die eigene Existenz unabhängig von der politischen Tätigkeit sichern zu können, so notwendig ist es auch, beim Wechsel in die Wirtschaft und bei der Annahme von Beraterverträgen o. ä. nicht von schlechten Arbeitsbedingungen und fehlender Mitbestimmung zu profitieren.